Arm trotz Arbeit – auch in Unna 16. Mai 2014 Arm trotz Arbeit – auch in UnnaEngagierte Diskussion an der "Streitbar" im DiakoniekaufhausArm trotz Arbeit – leider auch in Unna, ob Stadt oder Kreis. Schwindel erregende acht Millionen Euro gibt die Kreisverwaltung Monat für Monat (!) nur für Miete und Heizung der derzeit 39 000 Hartz IV-Empfänger aus. Mit solchen Zahlen konfrontierte Kreis-Sozialdezernent Rüdiger Sparbrodt am Mittwochnachmittag die zahlreichen Besucher der "Streitbar" im Diakoniekaufhaus (Massener Straße): "Streitbar" gibt sich in dieser Woche die Evangelische Kirche mit täglichen Polit-Diskussionen im Schaufenster ihres Sozialkaufhauses, und die spezielle "Streitbar"wurde extra für diesen Zweck aus rustikalem Fichtenholz gebaut. "Wir hoffen, sie hält", scherzte Christine Weyrowitz von der Diakonie Ruhr-Hellweg zum Start der dritten von insgesamt fünf Diskussionen – keine Sorge: Es wurde angeregt diskutiert, nicht aber so heftig gestritten, dass die Fichtenbretterspäne flogen.Das Diskussionsthema "Arbeit – und trotzdem arm?!" diente mit seinen Frage- und Rufzeichen natürlich auch ein bisschen als Provokation. Gerhard Meyer, Stadtverbandsvorsitzender und Kreistagsmitglied der CDU, hinterfragte auch gleich kritisch die angeblich ständig steigenden Zahlen von "Aufstockern" – Menschen, die trotz Arbeit Hartz IV beziehen müssen, weil sie von ihrem Lohn nicht leben können. Mit der Bemerkung "traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast" konterte Meyer mit einer aktuellen OECD-Studie, die genau das Gegenteil zu wissen glaubt – stetig weniger Aufstocker und Hartz IV-Empfänger insgesamt. "Uns fehlen im Kreis 20 000 Vollarbeitsplätze, das ist das Problem." Ein noch viel größeres Problem sieht hingegen SPD-Fraktionschef Michael Hoffmann in einer zunehmenden Spaltung zwischen Arm und Reich – auch in Unna, wo das Angebot an Arbeitsplätzen deutlich die Nachfrage übersteigt. "Am weitesten klafft die Schere bei unseren Mitbürgern mit ausländischen Wurzeln auseinander", nannte Hoffmann ein ernst zu nehmendes Problem. "Wir haben auf der einen Seite exzellent ausgebildete Menschen – und auf der anderen Seite die Aussteiger, leider oft junge Menschen ohne jede Perspektive." Um diese alarmierend anschwellende Gruppe "Hoffnungsloser" aufzufangen, sie überhaupt erst mal fähig zu machen für den Arbeitsmarkt, könne es nur eine Lösung geben: Bildung, Bildung, Bildung. Ob frühkindliche Sprachförderung, ob Qualifizierungsprogramme speziell für junge Migranten: Notwendig ist alles, was dazu dient, möglichst viele Menschen dauerhaft in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu bekommen. Umso bedauerlicher, betonte die Runde, sei es auf diesem Hintergrund, dass nur noch vier der zehn Kommunen an der "Werkstatt im Kreis Unna" beteiligt sind. Sie hilft mit ihren gezielten Qualifizierungen jedes Jahr Hunderten junger Menschen dazu, wieder – oder das erste Mal in ihrem Leben – an sich selbst zu glauben und auf die eigenen Fähigkeiten zu vertrauen.