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Haushaltsrede des Fraktionsvorsitzenden

Pflicht statt Kür für ein soziales Unna

Die SPD-Fraktion hat in der heutigen Ratssitzung den so genannten Doppelhaushalt für 2024 und 2025 abgelehnt – ebenso wie FDP, FLU, WfU und Linke. In seiner Haushaltsrede forderte Fraktionschef Sebastian Laaser, die wenigen Mittel, die Unna noch zur Verfügung stehen, für „gute, nachhaltige und sozial ausgewogene Maßnahmen“ einzusetzen. Scharf ins Gericht ging er mit der grün-schwarzen Projektgemeinschaft für die durchgedrückte Steuererhöhung, mehr Schuldenaufnahme und unsolide Planung in herausfordernden Zeiten. Hier die Rede im Wortlaut:  

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

liebe Kolleginnen und Kollegen des Rates,

meine sehr geehrte Damen und Herren!

Als Königsdisziplin des Rates wird die Verabschiedung des Haushalts häufig bezeichnet. Königsdisziplin – ein Begriff, der die Gestaltungskraft des höchsten politischen Gremiums hervorhebt. Nur leider ist in diesen Zeiten die Gestaltungskraft eingeschränkt. Es ist weniger eine Königsdisziplin als mehr eine mühsame Wanderung durch unwegsames Gelände, die wir angesichts der Herausforderungen meistern müssen. Jeder Schritt, den wir gehen, muss wohl überlegt sein, damit wir nicht stürzen und uns die Puste nicht ausgeht.

Ungewissheit und Unbeständigkeit sind zu Begleitern unseres Alltags geworden. Niemand weiß, wie sich die nächsten Monate entwickeln. Die Auswirkungen der Pandemie und des russischen Angriffskriegs belasten uns nach wie vor.

Weitere Krisen in der Welt, Inflation, Zinsentwicklung, eine sich eintrübende Konjunktur und steigende Sozialausgaben sind nur einige der vielen Unsicherheitsfaktoren, die die Planung erschweren.

Der Kämmerer hat all diese Unsicherheitsfaktoren in den vergangenen Jahren jedes Mal als Begründung angeführt, wenn der Haushaltsplanentwurf erst mit wochenlanger Verspätung vorgelegt werden konnte. Wir fanden das nicht gut. Aber wir haben es akzeptiert. Denn die Zeiten sind nun mal so, wie sie sind.

Und wir haben hier kein Wunschkonzert.

Was wir aber nicht akzeptieren, meine Damen und Herren, ist das Vorhaben, nun ausgerechnet in dieser schwierigen Gemengelage, wo die Probleme eher noch größer denn kleiner geworden sind, einen Haushalt für gleich zwei aufeinanderfolgende Jahre aufzustellen. Das lehnt die SPD-Fraktion entschieden ab. Diese verantwortungslose Haushaltspolitik tragen wir nicht mit!

Glauben wir dem Kämmerer, wie anspruchsvoll es war, in der Vergangenheit einen Haushaltsplan für nur ein Jahr halbwegs verlässlich aufzustellen, können wir uns alle vorstellen, wie groß die Risiken bei einer Doppel-Planung für 2024 und 2025 sind.

Und bitte, sehr geehrter Herr Bürgermeister, ersparen Sie uns die fadenscheinige Rechtfertigung, Doppelhaushalte habe es in der Vergangenheit schon gegeben. Ja, gab es. Aber da waren die Zeiten auch andere und Planungen verlässlicher möglich.

Meine Damen und Herren,

es ist keine Zeit für Wagnisse. Es ist die Zeit für bedachtes Handeln. Und es ist die Zeit für eine klare Prioritätensetzung. Pflicht statt Kür! Die wenigen Mittel, die uns noch zur Verfügung stehen, müssen wir für gute, nachhaltige und sozial ausgewogene Maßnahmen einsetzen – so wie es ansatzweise in diesem Haushalt mit Investitionen für Bildung und Sport durchaus gelingt. Aber es wird immer noch zu viel Geld für Symbolpolitik und Effekthascherei ausgegeben. Das können wir uns schlicht nicht mehr leisten.

Für die SPD-Fraktion ist jedenfalls klar: Wollen wir weiterhin stabile Verhältnisse für Unna, müssen wir auf Sicht fahren. Und wir müssen die richtigen Schwerpunkte setzen und wichtiges von noch wichtigerem unterscheiden. Beide Anforderungen erfüllt dieser so genannte Doppelhaushalt nicht. Und deshalb noch einmal: Dafür gibt die SPD-Fraktion nicht ihre Zustimmung!

Meine Damen und Herren,

eines möchte ich an dieser Stelle dennoch betonen: Unsere Kritik richtet sich nicht an die Kämmerei. Das Team hat wie in den vergangenen Jahren auch viel Arbeit investiert. Und es hat das strukturelle Defizit dieses Haushalts klar herausgearbeitet. Es hat aufgezeigt, worauf wir ohne wirkungsvolle Konsolidierungsmaßnahmen zusteuern: auf ein Defizit von 129 Millionen Euro bis 2028 bei Aufzehrung aller städtischen Rücklagen. Für diese Haushaltsehrlichkeit sage ich Danke!

Unsere Kritik richtet sich an die grün-schwarze Projektgemeinschaft, die nicht bereit ist, auf Grundlage der vorliegenden Zahlen die notwendigen Kosequenzen zu ziehen und das zu tun, was der Ernst der Lage erfordert: mit Vorsicht agieren und die Weichen stellen für echte Sparmaßnahmen. Stattdessen musste unbedingt wider besseren Wissens dieser so genannte Doppelhaushalt mit all seinen Unbekannten und Risiken her. Warum? Um die Zeit bis zur nächsten Kommunalwahl im Herbst 2025 irgendwie zu überbrücken, um noch einmal ein paar Wohltaten auszuschütten und um sich mit einem angeblich ausgeglichenen Haushalt zu schmücken.

Dass der neue Stadtrat nach der Kommunalwahl nahezu handlungsunfähig ist – das wird billigend in Kauf genommen. Ebenso der Schuldenberg, vor dem kommende Generationen stehen.

Meine Damen und Herren,

tatsächlich ist dieser Haushalt nur auf dem Papier ausgeglichen. Die aufgezeigten Konsolidierungsmaßnahmen, die das drohende 129 Millionen-Euro-Loch auf immer noch 46 Millionen Euro herunterrechnen, greifen nicht wirklich.

Lassen Sie mich dafür einige Beispiele nennen:

  • Da ist zunächst einmal das Instrument des so genannten „globalen Minderaufwands“, das wir auch mit „Buchungstrick“ übersetzen können. Dabei wird so getan, als ob quer durch alle Fachbereiche im Rathaus 4,5 Millionen Euro jedes Jahr gespart werden können. Ob diese veranschlagten Beträge im Haushaltsvollzug auch tatsächlich einzusparen sind, bleibt völlig offen.
  • Noch ein Rechentrick: Belastungen, die unweigerlich auf Unna zukommen, werden viel zu niedrig angesetzt, zum Beispiel für den gesetzlich vorgeschriebenen Ausbau der Offenen Ganztagsschule. Er wird für die kommenden fünf Jahre mit gerade einmal vier Millionen Euro beziffert. Dabei soll allein die Ausbaumaßnahme für die Ganztagsbetreuung an der Katharinenschule mehr als 1,3 Millionen Euro kosten. Da kann sich jeder ausrechnen, wie viele Millionen wir tatsächlich für den – auch gesellschaftlich notwendigen – Ausbau brauchen. Von den baulichen Notwendigkeiten weiterführenden Schulen habe ich dabei noch nicht einmal gesprochen.
  • Andere finanzielle Belastungen, die Unna stemmen muss, tauchen überhaupt nicht im Haushalt auf. Dazu gehören weitere Baumaßnahmen im Kita-Bereich, die notwendig sind, weil die zurzeit provisorische Container-Unterbringung der Kinder an einigen Standorten nur für eine begrenzte Zeit erlaubt ist.
  • Kommen wir zu der einzigen echten Konsolidierungsmaßnahme in diesem Doppelhaushalt: die kräftige Anhebung der Gewerbesteuer. Vertreter der Unnaer Wirtschaft haben sich dazu bereits deutlich geäußert. Der stellv. IHK-Hauptgeschäftsführer Wulf-Christian Erich gehörte zu den prominenten Mahnern, als er formulierte: „Ich warne davor, den falschen Hebel anzusetzen, um Haushaltslöcher zu stopfen“. Und: „Um die Abwärtsspirale zu durchbrechen, brauchen Unternehmen jetzt erst recht attraktive Standortbedingungen und stärkere Planungssicherheit, aber bestimmt keine Steuererhöhungen.“ Wir lehnen die Erhöhung ab.

Meine   Damen und Herren,

Haushaltslöcher stopfen mit Steuererhöhungen – das kann in der Tat nicht die Rettung für Unna sein. Wir müssen uns vielmehr wirklich dringend die Frage stellen, was wir uns leisten können, nicht nur, was alles wünschenswert für unsere Stadt ist. Und wir müssen, wie ich eingangs bereits gesagt habe, das tun, was dieser Haushalt an vielen Stellen versäumt. Die Prioritäten richtig setzen. Leider verharrt die Mehrheit in diesem Rat lieber in einem Zustand der Verdrängung.

Sie boxt erneut Mehrausgaben durch, als ginge es um einen Pott Spielgeld beim Pokern. Lassen Sie mich auch dafür einige Beispiele nennen:

Der Stellenplan, der heute zusammen mit dem Doppelhaushalt verabschiedet wird, schafft zusätzliche hohe finanzielle Belastungen: durch mehr Personal im Rathaus, darunter die bereits verabschiedeten zwei zusätzlichen Dezernentenstellen. Auch die Anhebung der Besoldung einer Beigeordnetenstelle wurde bereits vorab beschlossen. Neue Begehrlichkeiten für den Kulturbereich wurden gerade erst formuliert. Ob es uns passt oder nicht: Wir müssen die explodierenden Personalkosten samt Pensionsrücklagen in den Griff bekommen. Eine tragfähige Digitalisierungsstrategie könnte helfen. Da sind uns andere Kommunen weit voraus. Teuer sind auch die vielen Machbarkeitsstudien, Gutachten und Workshops, die die Stadt Unna für alle möglichen Projekte in Auftrag gibt, die angesichts unserer Finanzlage aber in den sprichwörtlichen Sternen stehen. Müssen wir wirklich in diesen Zeiten Pläne für einen Umzug des Hellweg-Museums in die Falkschule schmieden, um die alte Burg nicht nur zu sanieren, sondern auch noch auszubauen?

Und damit sind wir bei den eingangs genannten teuren Wohltaten, mit denen die Projektgemeinschaft die eigene Wählerklientel zufrieden stellen möchte, die eigentlich aber davon ablenken, was alles nicht in Angriff genommen wird. Keine Frage:  Der Klimaschutz ist die zentrale globale Herausforderung unserer Zeit, der wir uns alle stellen müssen. Aber doch nicht mit teuren Kleinstmaßnahmen wie Lastenradgaragen oder irgendwelchen Konzepten für wohl klingende Projekte, die dann in der Schublade landen. Selbst der Radwegebau ist von den vollmundig versprochenen Zielen in Unna weit entfernt. Die Fahrradstraße zwischen Massen und Königsborn, die vor allem den vielen Schulkindern auf dieser Strecke mehr Sicherheit bieten würde, könnte längst Wirklichkeit sein. Da freut man sich schon auf eine dynamische Umsetzung des Mobilitätskonzeptes…

Meine Damen und Herren,

statt in die Zukunft zu schauen, wird in diesem Stadtrat von dem einen oder anderen gerne die Vergangenheit zitiert, wo ja auch dieses und jenes gemacht oder versäumt worden sei. Das kann man tun, bringt uns aber nicht weiter. Zielführender ist es doch, sich neuen Herausforderungen mutig und kreativ zu stellen. Natürlich kann die grün-schwarze Projektgemeinschaft ihre Mehrheit nutzen und diesen Doppelhaushalt mit all seinen Risiken durchboxen. Sie hat dazu die Macht. Aber meine Damen und Herren, wer die Macht hat, hat deshalb noch lange nicht recht!

Im vergangenen Jahr haben wir dem Haushalt nur unter Vorbehalt zugestimmt. Ausschlaggebend für das Ja war die Zusicherung, zeitnah einen Dialog mit Politik und Verwaltung darüber zu führen, wie Unna sein Ausgabenproblem nachhaltig in den Griff bekommen kann. Leider ist es dazu nicht gekommen.

Von daher lassen Sie mich meinen Fraktionsvorsitzenden-Kollegen Rudi Fröhlich aus einer seiner letzten Reden zitieren:

Chapeau, Herr Bürgermeister!

  • Chapeau, zu mehr Schuldenaufnahme!
  • Chapeau, zu höheren Steuern!
  • Chapeau, zu unsicherer und unsolider Planung Ihres letzten Haushaltes!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !