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Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft

Hartmut Ganze antwortet auf Fragen zur Schulentwicklung

Zu Fragen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft zur Schulentwicklung in Unna äußert sich Hartmut Ganzke, Bürgermeisterkandidat der SPD, ausführlich zu den drängendsten Herausforderungen und Zukunftsplänen.

Frage 1)
Der Schulentwicklungsplan ist bedeutsam für den Aus- und Umbau von Schulen. Die KMK ging in ihrer Veröffentlichung vom Sept 2023 (Anmerkung 1) von steigenden Schülerzahlen bis 2035 aus. Die Daten der Schülerprognosen sind nicht eindeutig, sondern variieren von knappen bis zu größeren Geburtenzahlen. Dazu kommen die Kinder von Zugewanderten und Kriegsflüchtlingen. Wie sollte der Schulentwicklungsplan Ihrer Meinung nach diesen Unsicherheiten berücksichtigen?

Antwort:
Aktuell arbeitet die Stadtverwaltung an einer Fortschreibung des Schulentwicklungsplans (SEP), der bis Ende 2025 vorliegen soll. Angesichts des langen Zeitraums seit der letzten Planung kann man wohl eher von einem neuen Schulentwicklungsplan sprechen. Dem Vernehmen nach wurde im letzten Fachausschuss mitgeteilt, dass die Aufnahme der Datengrundlage nun abgeschlossen sei – konkrete Maßnahmen konnten jedoch noch nicht benannt werden.
Bezogen auf die Frage: Ich würde mir wünschen, dass wir flexible Lösungen denken. Die Prognosen zur Schüler:innen-Zahl schwanken stark – je nach Geburtenrate, Zuwanderung oder internationalen Krisen. Darauf muss der Plan mit verschiedenen Szenarien reagieren können. Und: Neue Schul(an)bauten sollten so geplant sein, dass man bei Bedarf schnell anpassen oder erweitern kann – zum Beispiel mit modularen Konzepten oder multifunktionalen Räumen. So bleiben wir handlungsfähig, auch wenn sich die Lage verändert. Der neue SEP soll lt. Beschlussvorlage (0891/23) in diese Richtung „denken“. Klar ist aber auch: In bestehenden Schulgebäuden wird das deutlich schwieriger umzusetzen sein – da braucht es oft kreative und individuelle Lösungen.

Frage 2)
Welche Möglichkeiten sehen Sie als Bürgermeister:in die Lehrer-Schüler-Relation zu senken?

Antwort:
Die Lehrer:innen-Schüler:innen-Relation lässt sich auf kommunaler Ebene nur begrenzt direkt beeinflussen, da die Lehrkräftezuweisung Aufgabe des Landes ist. In meiner aktuellen Rolle als Landtagsabgeordneter setze ich mich gemeinsam mit meiner Landtagsfraktion gegenüber der schwarz-grünen Landesregierung für eine Verbesserung ein. Eine Senkung der Lehrer:innen-Schüler:innen-Relation benötigt mehr Lehrer:innen. Leider fehlten Ende 2024 über 8.000 Stellen in NRW.
Für Unna heißt das aber auch: Weil wir als Kommune wenig Einfluss auf die Zahl der Lehrkräfte haben, sollten wir dort ansetzen, wo wir gestalten können – nämlich bei der Entlastung des vorhandenen Personals. Für mich und meine Partei gehört dazu, dass wir uns im neuen Haushalt 2026 ff. klar dafür einsetzen, die Schulsozialarbeit an den Grundschulen weiter zu verstärken und auf alle weiterführenden Schulen in Unna auszuweiten. Das stärkt die multiprofessionellen Teams und sorgt für mehr Luft im Schulalltag. Leider war die Verwaltung – und auch die Ratsmehrheit – hier bislang sehr zurückhaltend. Ich finde: Das muss sich ändern.

Frage 3)
Am 27.4.2024 teilten die Schulen Unnas in einem Gespräch, was auf Einladung der GEW Unna zustande kam, der Verwaltung ihre Bedürfnisse bezüglich der Raumsituation mit. Die Antwort darauf wurde auf die Zeit nach der Erstellung des SEP zugesagt. Welche Möglichkeiten sehen Sie, den Schulen konkrete Antworten auf Ihre formulierten Bedürfnisse zu geben?

Antwort:
Die Schilderung der anwesenden Schulleiter:innen im GEW-Gespräch und die schriftlich zugesandten Bedarfe sind eindrücklich. Die schon genannte Beschlussvorlage gibt auf Seite 3 zum Thema an:
„Gebäudesubstanz und Flächenverfügbarkeit: Bei der Betrachtung des Raumprogramms soll neben der quantitativen Betrachtung der verfügbaren Gebäude (z. B. Raumgrößen) auch die Qualität (welche Gebäude sind langfristig zu halten, welche zu sanieren; Orientierung an baulichen Leitlinien) berücksichtigt werden. Für zusätzliche Bedarfe ist zu berücksichtigen, welche Flächen an Schulen noch bebaubar sind bzw. wo weitere Flächen zur Verfügung stehen.“
Aus meiner Sicht sollte der Entwurf des Schulentwicklungsplans (SEP) als Grundlage genutzt werden, um die Bedarfe der Schulen konkret zu prüfen und offen zu diskutieren. Dabei geht es nicht nur um Raumbedarf, sondern auch um Prioritäten im Baubereich – und letztlich auch um die Frage, wie wir im Haushalt 2026 ff. klare Schwerpunkte setzen.

Frage 4)
Die Inklusion erfordert besondere pädagogische und differenzierende Maßnahmen in den Lerngruppen und entsprechende Raumkapazitäten. In Unna wird seit Längerem im Schulausschuss festgestellt, dass die Peter-Weiss-Gesamtschule und die Werner-von-Siemens-Gesamtschule (die Inklusionsschulen der Stadt Unna) adäquate Räume nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung haben. Was werden Sie als Bürgermeister:in unternehmen, damit diese Probleme gelöst werden?

Antwort:
Genau diese Bedarfe müssen im Schulentwicklungsplan konkret erfasst und priorisiert werden. Inklusion darf nicht nur pädagogisch gedacht werden – sie braucht auch räumlich passende Bedingungen: Differenzierungsräume, Rückzugsorte, barrierefreie Zugänge, ausreichend große Klassenräume. Aber auch der aktuelle Rat hat sich für Lösungen eingesetzt – zumindest an der Peter-Weiss-Gesamtschule. Leider verzögert sich die Aufstellungen der Module in den Oktober 2025 hinein.
Im Fall der Werner-von-Siemens-Gesamtschule sollten wir gezielt prüfen, welche Synergien sich im Schulzentrum Nord ergeben – und ob sich durch die Nachbarschaft zum Förderzentrum Nord und dem Sauerland-Hellweg-Kolleg räumliche Lösungen oder Kooperationen entwickeln lassen.

Frage 5)
Auch bei der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben zum Anspruch auf Plätze im Offenen Ganztag an Grundschulen gibt es Schwierigkeiten in Unna, wie die Verwaltung im Schulausschuss darlegte. Was werden Sie als Bürgermeister:in unternehmen, damit dieses Problem gelöst wird?

Antwort:
Ab August 2026 haben alle Erstklässler in NRW einen gesetzlichen Anspruch auf einen OGS-Platz – bis 2029 wird das stufenweise auf alle Grundschuljahrgänge ausgeweitet. Das ist eine riesige Herausforderung für alle Kommunen – und auch für Unna. Besonders kritisch ist, dass das Land weder bei der Schaffung zusätzlicher Räume noch bei der Finanzierung von Fachpersonal ausreichend unterstützt. Das bringt viele Träger:innen an ihre Grenzen – organisatorisch wie finanziell.
Wir brauchen realistische und standortscharfe Einschätzungen – für alle Grundschulen. Genau das geschieht aktuell vor Ort: In den sogenannten „Phasen 0“ erarbeitet die Stadtverwaltung gemeinsam mit den Schulgemeinden die konkreten Bedarfe und Rahmenbedingungen. Das ist der richtige Weg; den man hätte früher gehen müssen.
Trotzdem ist klar: Der notwendige Raumaufbau wird ein großer planerischer und finanzieller Kraftakt – und dafür sind aktuell noch nicht genug Mittel eingeplant. Hier müssen der neue Rat und die Verwaltung verantwortungsvoller handeln. Und selbst wenn wir den Raumbedarf gestemmt bekommen, bleibt der Fachkräftemangel im OGS-Bereich eine weitere große Baustelle.
Deshalb gilt: Rat, Verwaltung und Träger müssen hier gemeinsam konsequent weiterarbeiten – und das Land muss endlich stärker in die Verantwortung genommen werden. Der Rechtsanspruch darf am Ende nicht auf dem Rücken der Kinder und Kommunen scheitern.

Frage 6)
Durch das Sondervermögen Infrastruktur der Bundesregierung soll u. a. auch der Bereich der Bildung gestärkt werden.
Welche Möglichkeiten sehen Sie, dass die Stadt Unna von diesem Sondervermögen profitiert und in welchen Bereichen der Schulen würden Sie es einsetzen?

Antwort:
Das Sondervermögen Infrastruktur des Bundes bietet eine echte Chance – auch für den Bildungsbereich in Unna. Wichtig ist, dass wir gut vorbereitet sind, wenn Fördermittel zur Verfügung stehen. Wir sollten die Mittel gezielt für die Sanierung und Modernisierung unserer Schulgebäude einsetzen – insbesondere auch mit Blick auf inklusive und flexible Lernräume, die den Anforderungen moderner Pädagogik gerecht werden. Darüber hinaus dürfen wir die Sporthallen nicht aus dem Blick verlieren. Auch dort ist der Sanierungsbedarf groß, und viele Gebäude entsprechen nicht mehr den heutigen baulichen oder energetischen Standards.
Wenn wir jetzt die richtigen Projekte entwickeln und priorisieren, kann Unna spürbar von diesem Bundesprogramm profitieren. Dafür möchte ich mich einsetzen.

Frage 7)
Ende 2025 soll ein Zwischenbericht zum Schulentwicklungsplan vorgelegt werden. Wie können Ihrer Meinung nach die Betroffenen (Schulen, Interessenvertretungen der Lehrer:innen, Eltern, Schüler:innen) diesen Zwischenbericht sehen und kommentieren?

Antwort:
Nach meiner Kenntnis ist bereits im Oktober eine Beteiligung der Politik und der Schulen zum Zwischenbericht vorgesehen. Das ist ein wichtiger Schritt – aber dabei sollte es nicht bleiben. Auch die Interessenvertretungen der Lehrkräfte, die Elternschaft und die Schüler:innenvertretungen sollten die Möglichkeit erhalten, den Zwischenstand einzusehen und zu kommentieren. Das kann zum Beispiel über schulische Gremien, eine gezielte Anhörung im Fachausschuss oder im Rahmen eines Workshops geschehen.
Ein offener Austausch stärkt die Transparenz des Verfahrens – und schafft am Ende tragfähigere und besser legitimierte Entscheidungen.

Frage 8)
Der Mangel an Lehrkräften bereitet auch den Unnaer Schulen Probleme. Manche Orte gewinnen neue Lehrkräfte, indem sie neue Lehrer:innen bei der Wohnungssuche unterstützen. (Das Christliche Klinikum stellt z. B. neuen Ärzt:innen für eine Übergangszeit Wohnräume zur Verfügung.) Welche Chancen sehen Sie, die Attraktivität des Schulstandorts Unna für interessierte Kolleg:innen zu verbessern?

Antwort:
Bereits in meinen vorangegangenen Antworten spiegeln sich viele Maßnahmen und Positionen wider, die auch für diese Frage entscheidend sind. Für mich gehört zur Attraktivität des Schulstandorts Unna der Einsatz für gut ausgestattete Schulen, moderne Lernräume, verlässliche Betreuungsangebote, Schulsozialarbeit und multiprofessionelle Teams – aber auch die Anerkennung der geleisteten Arbeit der Lehrkräfte vor Ort.
Vor diesem Hintergrund muss man schon fragen, ob die Einführung von Parkgebühren auf Schulparkplätzen wirklich das richtige Signal war – gerade in einer Zeit, in der viele Kolleginnen und Kollegen ohnehin an Belastungsgrenzen arbeiten. Diese Entscheidung der aktuellen Verwaltung und der schwarz-grünen Ratsmehrheit halte ich zumindest für fragwürdig.
Klar ist aber auch: Die Hauptverantwortung liegt beim Land. Es muss endlich verlässlich für ausreichend Lehrkräfte sorgen – durch faire Besoldung, gezielte Personalgewinnung und mehr Planungssicherheit für Berufseinsteiger:innen. Nur mit besseren Rahmenbedingungen wird es gelingen, Lehrkräfte zu gewinnen und dauerhaft für den Schuldienst zu begeistern.

Frage 9)
Zu viele Schüler:innen verlassen die Schule ohne Abschluss und berufliche Perspektive. Welche Möglichkeiten sehen Sie, diese Situation zu verbessern?

Antwort:
Dass zu viele Jugendliche die Schule ohne Abschluss und ohne berufliche Perspektive verlassen, ist ein ernstes Problem – für die Betroffenen selbst und für die Gesellschaft als Ganzes. Wir begegnen dieser Herausforderung am besten mit gut verzahnten Unterstützungsstrukturen.
Ein zentrales Instrument ist dabei das Landesprogramm KAoA – Kein Abschluss ohne Anschluss. In Unna wird es erfolgreich von der Werkstatt im Kreis Unna GmbH umgesetzt, die seit Jahren mit großem Engagement Berufsorientierung, Potenzialanalysen und Praxiskontakte organisiert. Diese Arbeit ist unverzichtbar.
Um die Wirkung von KAoA zu stärken, sollte die Stadt Unna eine verbindliche Übergangskoordination einführen. Ziel muss sein, die Angebote systematisch im Schul- und Ganztagsalltag zu verankern – mit klaren Schnittstellen zur Jugendhilfe, zur Berufsberatung und zur regionalen Wirtschaft.
Gleichzeitig braucht es niedrigschwellige Qualifizierungs- und Mentoringangebote, um auch jene Jugendlichen zu erreichen, die durch Standardmaßnahmen noch nicht gut abgeholt werden. Niemand darf verloren gehen, nur weil er oder sie mehr Zeit oder Unterstützung braucht. Wenn wir frühzeitig fördern, gezielt begleiten und alle Akteure gut vernetzen, können wir die Zahl der Schulabgänge ohne Abschluss spürbar senken – auch in Unna. Davon bin ich überzeugt.