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SPD, WfU und FLU üben gemeinsam scharfe Kritik an der neuen Geschäftsordnung des Rates

Bürgerbeteiligung geschwächt, Politik gegängelt  

Den Entwurf für eine neue Geschäftsordnung des Rates werden die Fraktionen von SPD, WfU und FLU in der vorliegenden Form nicht mittragen: Sie fordern mehr statt weniger Bürgerfreundlichkeit und kritisieren insbesondere, dass die Einwohnerfragestunde beschnitten, die Rechte sachkundiger Bürger geschwächt, die Öffentlichkeit der Sitzungen teilweise in Frage gestellt und eine Live-Übertragung nach Vorbild anderer Kommunen vermieden werden soll. „Uns geht es um mehr Demokratie wagen und nicht darum, Bürger und Politik im Zaum zu halten, damit sie möglichst die Verwaltung nicht stören“, betonen die Fraktionsvorsitzenden Sebastian Laaser (SPD), Ingrid Kroll (WfU) und Klaus Göldner (FLU). Und: „Dieser Bürgermeister ist angetreten mit dem Versprechen, mehr Bürgerbeteiligung zu ermöglichen. Jetzt erleben wir das genaue Gegenteil.“

Die drei Fraktionen haben gemeinsam Änderungsvorschläge für die künftige Geschäftsordnung des Rates erarbeitet, um die von der Verwaltung angestrebten Einschnitte in das Informations- und Beteiligungsrecht nicht nur rückgängig zu machen, sondern um zu mehr Transparenz, Bürgerbeteiligung und sachlicher politischer Debatte beizutragen. Denn: „Letztlich geht es hier um eine Geschäftsordnung, die der Rat sich selbst gibt, nicht der Bürgermeister und seine Beigeordneten. Unser Souverän sind die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt.“

Sebastian Laaser, Ingrid Kroll und Klaus Göldner kündigen bereits jetzt an, die Kommunalaufsicht einzuschalten bzw. zu klagen, wenn die Geschäftsordnung in ihrer jetzigen Form verabschiedet werden sollte. Hier die zentralen Kritikpunkte von SPD, WFU und FLU sowie ihre Gegenvorschläge:

  • Einwohnerfragestunde ausweiten statt beschneiden

Der Entwurf des Bürgermeisters sieht eine zeitliche Begrenzung der Fragestunde für Einwohnende auf 20 Minuten vor. Einem Bürger sind höchstens zwei Fragen erlaubt, die jeweils nur eine Minute dauern dürfen. Persönliche Bewertungen zu städtischen Angelegenheiten sind nicht zugelassen. Ebenso darf die Sitzung nicht unterbrochen werden, um Bürgerinnen und Bürgern bei einzelnen Tagesordnungspunkten das Wort zu erteilen.  SPD, WfU und FLU bezeichnen diesen Paragraphen der neuen Geschäftsordnung als einen Skandal. „Wir sollten in Zeiten allgemeiner Politikverdrossenheit jeden Menschen wertschätzen, der sich in die politische Debatte einbringt, und ihn nicht in dieser Weise gängeln“, so Sebastian Laaser. Der Gegenvorschlag der drei Fraktionen: Die Einwohnerfragestunde stärken statt schwächen, indem man die zeitliche Begrenzung aufhebt und jedem Bürger allgemeine Fragen und auch Fragen zu jedem Tagesordnungspunkt gestattet. Andere Kommunen haben damit bereits gute Erfahrungen gemacht.

  • Rats-TV ermöglichen statt verhindern

Live-Stream von Ratssitzungen sieht die neue Geschäftsordnung ausdrücklich nicht vor – angeblich auf Wunsch aus den Fraktionen. SPD, WfU und FLU setzen sich dafür ein, die Voraussetzunen für das so genannte Rats-TV zu schaffen – „als niedrigschwelliges Angebot, um politische Diskussionen in der eigenen Stadt verfolgen zu können“, so Ingrid Kroll.  Konreter Vorschlag:  „Die Sitzungen des Rates (öffentlicher Teil) werden live als Medienangebot in Bild und Ton im Internet auf der Webseite www.unna.de zur Verfügung gestellt. Die Aufzeichnungen werden auch für späteres Abrufen verfügbar gemacht.“

  • Rechte der sachkundigen Bürger achten statt schwächen

Künftig sollen nach dem Willen der neuen Geschäftsordnung sachkundige Bürger in den Fachausschüssen keine Anfragen mehr an die Verwaltung stellen dürfen. Das trifft insbesondere kleinere Fraktionen, die zum Teil ausschließlich mit sachkundigen Bürgern in den Gremien vertreten sind, aber auch Institutionen wie den ADFC. Die Verwaltung will diese Einschnitte mit der Gemeindeordnung begründen, dort heißt es allerdings wörtlich: „In der Arbeit der Ausschüsse sind Ratsmitglieder und sachkundige Bürger gleichberechtigt.“  Klaus Göldner betont: „Wir sollten uns freuen über jeden Menschen, der sich ehrenamtlich engagiert und seinen Sachverstand in die politische Debatte einbringt.“

  • Mitteilungen der Verwaltung: Diskussion zulassen statt ausbremsen

Auf Mitteilungen der Verwaltung soll Ratsmitgliedern künftig nur noch eine Nachfrage erlaubt sein. Dieser Punkt ist für SPD, WFU und FLU unakzeptabel, solange der Bürgermeister weiterhin wichtige Themen nicht als Tagesordnungspunkt, sondern als Mitteilung in die Ratssitzung einbringt. Ein aktuelles Beispiel dafür: aktuelle Entwicklungen in der Erstaufnahmeeinrichtung in Unna-Massen. Selbstverständlich müsse in solchen Fällen eine weitergehende Diskussion möglich sein, erklärt Sebastian Laaser.   

  • Beratungsbedarf akzeptieren statt wegstimmen

Die Ehrenordnung, die die Politik der Stadt Unna sich 2002 selbst gegeben hat, sieht vor, dass der von einer oder mehreren Fraktionen angemeldete Beratungsbedarf zu einem Tagesordnungspunkt akzeptiert und die Entscheidung bis zur nächsten Ratssitzung vertagt wird. Das soll mit der neuen Geschäftsordnung geändert werden – ein Vorhaben, das SPD, FLU und WfU nicht mittragen. Die gute Sitte habe sich schließlich seit mehr als zwei Jahrzehnten bewährt.

  • Öffentlichkeit herstellen statt ausschließen

An gleich mehreren Stellen stellt die neue Geschäftsordnung die Weichen für weniger Transparenz. So soll es künftig allein dem Bürgermeister unterliegen, die Öffentlichkeit über Beschlüsse des Rates zu informieren. Schwammige Formulierungen würden es der Verwaltung zudem ermöglichen, die Öffentlichkeit nach eigenem Ermessen von den Sitzungen auszuschließen. Dazu die drei Fraktionen: „Nichtöffentlichkeit kann sich nicht nur nach den Bedürfnissen der Verwaltung richten, sondern auch nach den Bedürfnissen der Bürger.“  

  • Anträge kreativ prüfen statt aushebeln

Die neue Geschäftsordnung erklärt jeden politischen Antrag für „unzulässig“, der nicht mit einem Deckungsvorschlag aus dem städtischen Haushalt versehen oder auf Klimarelevanz geprüft ist. Für Klaus Göldner ist das der Versuch, unliebsame Anträge auszuhebeln. Denn: Die ehrenamtlich tätigen Politiker und erst recht die kleinen Fraktionen hätten nicht die Zeit und die fachliche Expertise, diese Arbeit solide zu leisten – anders als das Rathaus mit Fachleuten und Gutachtern. „Das ist Aufgabe der Verwaltung“, betont auch Ingrid Kroll. Gleichwohl sind sich SPD, WfU und FLU darin einig, dass finanzielle und klimarelevante Auswirkungen bei jedem politischen Antrag Beachtung finden sollten. Sie regen deshalb an dieser Stelle eine Umformulierung an. Das Wort „unzulässig“ müsse weg.  

Weitere Kritikpunkte von SPD, WfU und FLU sind Einschnitte beim Rede- und Antragsrecht der Ratsmitglieder sowie Formulierungen, die es dem Bürgermeister als Sitzungsleiter ermöglichen, unliebsame Wortbeiträge und Anfragen zu unterbinden. Der gesamte Entwurf der Geschäftsordnung ist Thema in der nächsten Sitzung des Hauptausschusses am 2. März. Verabschiedet werden soll er in der Ratssitzung am 9. März.